Lee Seung Yoon im Radio:Talk!
Beim diesjährigen Reeperbahn Festival war Lee Seung Yoon für uns die Neuentdeckung. Der koreanische Singer-Songwriter stand im Rahmen des Korea Spotlight erstmals auf einer deutschen Bühne und überzeugte musikalisch, aber auch mit seinem Charme.

Wir hatten ihn für ein kleines Interview vor der Kamera. Dort erzählt Lee Seung Yoon, wie sich seine Musik im Laufe der Jahre verändert hat, warum er heute weniger nach Perfektion strebt und wie er Inspiration in den alltäglichen Momenten findet.
1. Deine Songs sind oft poetisch und Vielseitig. Wie findest du die Balance zwischen Text und Melodie?
Lee Seung Yoon: Das ist jedes Mal anders. Bis vor Kurzem habe ich mich eher auf das Schreiben von Texten konzentriert, aber bei meinem letzten Album „Yeokseong“ entstanden zuerst die Melodien und die Texte kamen erst danach. Ich habe mir bei jedem Wort und jeder Note viel Mühe gegeben, doch am Ende blieben nur ein paar Worte und Melodiefragmente zurück. Ich versuche ein Gleichgewicht zu finden zwischen den Schlüsselwörtern, die ich hinterlassen möchte, und den Melodien, an die sich die Menschen erinnern sollen.
2. Welcher Song repräsentiert deiner Meinung nach „Lee Seung Yoon“ am besten?
Lee Seung Yoon: Ich würde gerne zwei nennen: „Waterfall“ und „To the Heart That Wants to Be Discovered“. Waterfall liegt mir besonders am Herzen, weil es dem Ideal eines „Songs“ entspricht, den ich schreiben wollte, als ich zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand nahm.
To the Heart That Wants to Be Discovered fasst alles zusammen, was ich bisher getan und ausdrücken wollte. Auf der Bühne erlaubt mir Waterfall, völlig in mich selbst einzutauchen, während To the Heart That Wants to Be Discovered zu einem Lied geworden ist, das das Publikum eher tief im Inneren berührt.
3. Kannst du uns etwas über deine neueste Veröffentlichung erzählen?
Lee Seung Yoon: Ich habe kürzlich einen Song namens „PunKanon“ veröffentlicht. Er wurde in nur etwa zwei Wochen aufgenommen, und auch das Musikvideo entstand in dieser Zeit. Es ist ein vollkommen spontanes Projekt. Fast 20 Jahre lang habe ich bewusst darauf verzichtet, die Canon-Akkordfolge zu verwenden, weil ich sie mir für den „perfekten“ Song aufheben wollte. Auf meinem vorherigen Album Yeokseong habe ich mich dann entschieden, die Idee der Perfektion loszulassen, und schrieb den Song „Canon“.
Nach der Veröffentlichung des Songs spürte ich ein seltsames Gefühl der Freiheit. PunKanon ist die Punk-Version dieses Songs. Ich habe ihn zunächst nur zum Spaß bei einem Live-Auftritt gespielt, aber das war so befreiend und mitreißend, dass ich ihn schließlich offiziell herausgebracht habe. Ich habe dabei für mich entdeckt wie viel Freude Musik und ein Song machen kann, wenn man von der Besessenheit der Perfektion loslässt.
4. Du bist für die Korea Spotlight-Bühne beim Reeperbahn Festival hier. Gibt es koreanische Bands, die dich beeinflusst haben oder die du besonders hervorheben würdest und man unbedingt im Blick haben sollte?
Lee Seung Yoon: In letzter Zeit finde ich große Inspiration bei YB (Yoon Do Hyun Band). Ich liebe sie schon so lange, dass ich mich gar nicht mehr erinnere, wann das angefangen hat. Zu sehen, wie sie weiterhin mit solcher Leidenschaft jede Ecke der Musik erkunden, macht es unmöglich, sie nicht zu respektieren.
5. Wie hat sich deine Musik in den letzten Jahren entwickelt?
Lee Seung Yoon: Ich mache jetzt seit etwa 13 oder 14 Jahren Musik. Am Anfang war das eher ein Hobby, etwas, das ich ohne großen Druck gemacht habe. Als ich dann beschloss, wirklich als Musiker zu leben, stieß ich auf viele Mauern und Grenzen. Die Begegnungen mit anderen Musiker:innen halfen mir, diese Mauern nach und nach zu durchbrechen. Wenn ich meine Alben zusammenfassen müsste: Mein erstes veröffentlichte ich „irgendwie“, das zweite „mit all meiner Kraft“ und das dritte „mit meinem Leben – gemeinsam mit meinen Weggefährten“.
In den letzten Jahren durfte ich durch das Publikum und die Fans, die meine Musik über die Grenzen meines Zimmers hinaus angenommen und getragen haben, etwas wirklich Bedeutendes erleben. Bei Festivals spüre ich oft: „Zumindest in diesem Moment gehört diese Musik ihnen.“ Lieder, die einst nur in meinem Zimmer existierten, sind zu unseren Songs geworden und das ist eine Reise, die mich jedes Mal aufs Neue tief berührt und dankbar macht.
Ich wünsche mir, dass meine Musik immer in einem kleinen Raum beginnt, sich von dort nach außen entfaltet und schließlich wieder in diese Räume zurückkehrt… zu den Menschen, die sie hören, wenn sie zur Ruhe kommen und mit ihren eigenen Gefühlen und Gedanken allein sind.

6. Wenn du Musik schreibst. Wo beginnt da der kreative Prozess? Lässt du dich von bestimmten Erinnerungen oder Emotionen inspirieren? Was hat dich zuletzt inspiriert?
Lee Seung Yoon: Ich denke, das Wort Inspiration wird oft überbewertet. Ich lebe einfach meinen Alltag, sammle kleine Fragmente von Momenten und flechte sie später zu einer Geschichte. Wenn ich etwas fühle oder denke, schreibe ich sinnfreie Sätze auf… Worte, die den Emotionen am nächsten kommen und lasse sie dann eine Weile ruhen. Später schaue ich sie mir erneut an, verbinde meinen aktuellen Zustand mit meinen früheren Gedanken und erschaffe daraus ein fertiges Werk.
Kürzlich habe ich mir notiert, dass sich der Mond jedes Jahr um 3,78 Zentimeter weiter von der Erde entfernt. Ich weiß nicht, wann oder wie ich das verwenden werde, aber genau solche Dinge landen in meinem Notizbuch.
Vielen Dank für deine Zeit und viel Spaß beim Reeperbahn Festival!
Für uns war Lee Seung Yoon die Neuentdeckung des Reeperbahn Festivals. Checkt gerne seine Musik aus!




