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Sarah Lesch findet man selten auf großen Bühnen und das ist auch gut so. Am 15.02.2020 spielte sie in der Alten Oper Erfurt.

Lisa Photojournalist , Social Media

Geschrieben/Fotos: Lisa Hemp

Erfurt. Sarah Lesch findet man selten auf großen Bühnen und das ist auch gut so. Am 15.02.2020 spielte sie in der Alten Oper Erfurt. Eine wunderschöne Location, die bereits durch die Bestuhlung für eine sehr ruhige und intime Atmosphäre sorgt. Der Saal war fast ausverkauft und die ganz wenigen leeren Stühle fielen überhaupt nicht ins Gewicht. Sarah lockt eine bunte Mischung an Publikum zu ihren Konzerten. Kinder finden den Weg, bis hin zur älteren Generation. Die Musik der Singer/Songwriterin spricht jede Altersklasse an. Am heutigen Abend hatte Frau Lesch einen sehr sympathischen Künstler im Vorprogramm: Milian Otto, der dem Erfurter Publikum sein Album „Wahnwitz und Gelegenheit“ vorstellte. Vorprogramm ist eigentlich der falsche Ausdruck. Milian hatte die Zuhörer sehr schnell in der Hand. Mit seinen witzigen und zugleich tiefgründigen Texten brachte der Künstler jeden einzelnen zum Schmunzeln oder Nachdenken. Er hat eine sehr angenehme Stimme und erzählt seine Geschichten lebensnah und ergreifend. Der Mann mit der Gitarre… die er sehr gut beherrscht! Mein Sitznachbar brachte es sehr gut auf den Punkt:

Milian Otto c Lisa Hemp 7

 

„Der Support ist wie für Sarah Lesch gemacht!“

Dieser Aussage kann ich nur zustimmen. Nach gut 30 Minuten beendete Milian seinen Auftritt und machte Sarah Lesch die Bühne frei.

 

Fotos Milian Otto

Die Zuschauer wurden in eine 20-minütige Pause geschickt, bis der Gong (Alte Oper!… das Gefühl eines Theaters ist hier nicht verloren gegangen) alle zu ihren Plätzen zurückschickte. Sarah betrat die Bühne wie gewohnt mit einem herzlichen Lächeln und wollte eigentlich nach ein paar Begrüßungssätzen und dem Hinweis das die Handys in der Tasche bleiben sollen, direkt loslegen.

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Sarah Lesch (c) Lisa Hemp

 

Wie es sich jedoch für wahre Livemusik gehört, können auch Patzer auftreten. Die Ukulele hatte beschlossen verstimmt in den Abend zu starten. In solchen Situationen merkt man schnell, wer Profi ist und wer nicht. Sarah Lesch gehört definitiv zu den Profis auf den Brettern die, die Welt bedeuten, denn dort fühlt sie sich wohl. Spontan entschloss sie sich dem Publikum ein Gedicht vorzulesen. Die Sängerin ist bekannt für ihre Schöngeistigkeit und so verwunderte so eine Aktion auch niemand und die Zuhörer waren begeistert.

 

 

Viele Musiker verzichten bei ihren Auftritten auf große Worte in Form von Ansagen. Sarah Lesch hingegen baut zwischen den Songs mit diesem Mittel Brücken. Diese Brücken machen es jedem leicht, in die Welt der Wortakrobatin und ihren Geschichten einzutauchen. Jeder Song hat seine eigene Geschichte und Sarah sagt selbst:

„Ganz nach meinem großen Vorbild Gerhard Schöne, wollte ich auch immer wahre Geschichten erzählen, weil es so eine großartige Idee ist, dass man Geschichten von Leuten erzählt, die es wirklich gab und die besonderen Dinge getan haben.“

Bevor Sarah Lesch den Song „Der Kapitän“ spielte, tauchte sie in eine große Thematik ein:

„Was ist Freiheit? Warum fühlt sich die Freiheit nicht nach Freiheit an? Das habe ich mich lange gefragt! Dann habe ich irgendwann ein schönes Sprüchlein von Erich Fried gelesen und der sagte: „Eine Freiheit, die nicht auch deine Freiheit ist, ist keine Freiheit!“ Und da dachte ich: Aha!! Das sich unsere Freiheit nicht gut anfühlt, für mich zumindest nicht, weil sie auf Kosten anderer ist. Und wenn nicht alle das gleiche Recht haben, dann ist es eigentlich eher so, dass es immer nur Angst ist. Das fühlt sich alles nicht so richtig gut an. Das allererste Lied was ich jemals geschrieben habe, handelt auch von diesem Thema.“

Der Song „Der Kapitän“ erzählt von einer leider sehr akuten Problematik. Sarah hat in ihrer Familie direkte Berührungspunkte mit der Kriminalisierung der Seenotrettung.

„Die Kriminalisierung von etwas, was so selbstverständlich ist!“

Das Publikum bekommt die ganze Geschichte erzählt und so viel intime Erlebnisse kommen auf Konzerten, nur selten zu tragen. Ich ziehe immer den Hut vor so viel Offenheit. Diese Einblicke in ihr Leben, machen die Auftritte gefühlt so familiär.

Sarah spielte den Song „Der Kapitän“ und es gab an einer Textzeile mitten im Lied tosenden Applaus:

„Ich sah Männer, die ertrunken wären, und nahm sie zu mir auf den Kahn. Für die Regierung dann das illegale, ich denk, dass es Menschen waren!“

Anschließend spielten sie den Titel „Wir halten uns“ und in diesem Track bekommt man alle Seiten von Sarahs Stimme zu hören. Die Sängerin kann sanft, euphorisch, stark, überzeugend, energisch und bestimmend.

Die Story hinter „Der rosa Elefant“ :

„Wir halten uns alle nur auf. Oft halten wir uns alle nur auf um zu Floskeln, mit Nichtigkeiten und Unehrlichkeiten. Ich finde, es ist richtig schwer die Wahrheit zu sagen und am meisten merkt man das in der Familie. Wenn man zb. gemeinsam zu Weihnachten zusammen sitzt. Jeder erzählt sich wie schön das ist, so zusammen zu sitzen, aber die wesentlichen Dinge werden nicht so gern besprochen. Mein Sohn hat mal zu mir gesagt: „Mama, weißt du, wenn die da alle so sitzen, das ist, wie wenn ein rosaner Elefant im Raum sitzt, über den keiner redet!“ Das ist ein schönes Bild, das man auch mal weiter Zeichnen kann und ein Lied draus machen könnte. Familie ist super… um sich daran auszulassen…. Musikalisch!“

„Der rosa Elefant“ wird auf dem neuen Album zu hören sein und die Geschichte hinter dem Lied dürfte neugierig auf die Platte machen.

„Tod eines freundlichen Riesens“ ist ebenfalls eine neue Nummer. Die Geschichte zu diesem Song möchte ich hier nicht auch noch erzählen, denn ein wenig Spannung sollen die Konzertbesucher, der nächsten Auftritte noch vorfinden. Der Song hat mich jedoch sehr berührt und ich werde morgen sofort ein paar Menschen aus meinem Leben anrufen. O-Ton des Ganzen: Es kann so schnell vorbei sein und jeder sollte Aussprechen was er denkt. Am besten sofort und nicht erst wenn es zu spät sein könnte!

Der Erfolgssong „ Das Testament“ durfte natürlich nicht fehlen. Dieses Lied kann man auf Repeat hören und es wird niemals langweilig. „Das Testament“ hat Ausstrahlung, egal ob man ihn auf CD hört oder Sarah den Track live singt.

„Wenn ihr das Welt nennt, bin ich gern weltfremd. Die Götter lachen sich krumm!“

Zu einem intimen Konzert, darf natürlich auch nicht fehlen, dass das Publikum einen Gesangspart bekommt. „Kein Kinderlied“ stimmte zu diesem Vorhaben an und tatsächlich gelang es Sarah, das die gesamte „Alte Oper“ mit ihr zusammen sang.

Pünktlich zum Ende des Abends, hielt Sarah Lesch noch eine Ankündigung bereit. Nächste Woche kommt das erste Lied vom neuen Album samt Video auf den Markt: „Der Einsamkeit zum Trotze“ wird es heißen.

„Warum das Thema Einsamkeit über dem Album und dieser Zeit steht? Das liegt natürlich auch daran, dass ich mich Einsam gefühlt habe, aber auch dass ich das Gefühl habe, das es ganz vielen Menschen so geht. Vor allem das die Zeichen der Zeit und das Leben so etwas verursacht, das viele Einsam geworden sind. Ich frag mich oft, wollen wir das eigentlich wirklich so haben? Geht’s uns damit echt gut? Zb. wie unsere älteren Menschen leben müssen, oder wie auch unsere Kinder aufwachsen müssen, oder wie wir miteinander umgehen. Ich habe zb festgestellt das ich mich einsam gefühlt habe, weil ich versucht habe mich abzugrenzen von den Leuten wo ich herkomme, mit denen ich früher aufgewachsen bin. Dann habe ich bemerkt das funktioniert überhaupt nicht und ich bin sogar froh, dass ich diese Menschen alle in meinem Leben habe. Und ich schwöre Euch: da sind so viele Freaks dabei. Und ich dachte mir ich erzähle einfach mal, wie ich mein Zuhause so erlebe und was ich mir alles so wünsche. Und ich glaube zum nicht mehr einsam fühlen, gehört auch Schwäche zu zeigen, sich einzugestehen nicht immer okay zu sein, so wie man ist und das dies total in Ordnung ist. Und das nicht immer alle anderen Leute alles richtig machen und genauso sind, wie wir uns das immer vorstellen. Nicht jeder hat die gleiche Meinung und es ist sehr wichtig , dass wir auch wieder lernen miteinander zu streiten. Das reicht jetzt auch als Schluss Plädoyer für diesen wundervollen Abend in Erfurt!“

Ich hätte das Ganze nicht besser ausdrücken können und empfehle jedem nächste Woche zumindest einmal in den neuen Song zu hören! Das Publikum forderte im Anschluss unter Standing Ovation zu einer verdienten Zugabe auf und die Band beendete intensive 1,5 h mit dem Titel: „Spar Deinen Wein Nicht Auf Für Morgen!“

Die Tour geht noch weiter und wer so einen Abend gern einmal miterleben möchte, hat noch in folgenden Städten die Chance dazu:

 

27.02.2020 Regensburg , Alte Mälzerei

29.02.2020 Reutlingen, Franz K.

12.03.2020 Bielefeld, Forum

13.03.2020 Wilhelmshaven, Pumpwerk

14.03.2020 Lüneburg, Kulturforum

19.03.2020 Aschaffenburg, Colos Saal

20.03.2020 Aachen, Franz

21.03.2020 Merzig , Stadthalle Merzig